Donnerstag, 11. September 2014

Waldspaziergang mit der Angst

Heute ist einer dieser Tage. Du wachst morgens auf und möchtest am liebsten gleich weiterschlafen.
Mein Kopf fühlte sich an, wie in eine Schraubzwinge geklemmt und ich wollte mich keinen Zentimeter bewegen. Seit Tagen nerven mich Nackenverspannungen.
Ich konnte mich auf keine Aufgabe konzentrieren und wusste nichts mit mir anzufangen.
Am PC sitzen? Zu anstrengend. Hinlegen? Kontraproduktiv, um wirklich etwas vom Tag zu haben.
Ich putzte also nach dem Frühstück zunächst mal die Spüle, aber auch das verschaffte mir (Oh Wunder!) keine wirkliche Befriedigung und vor allem keine Freiheit für meinen Kopf.

Ein Blick nach draußen ließ scheinbar anstehenden Regen verlauten, aber ich musste raus. Einfach ein paar Schritte gehen, tief einatmen, Gehirn mit Sauerstoff versorgen, Kopf freikriegen.
Normalerweise hätte ich mindestens mein Handy mitgenommen und spielte kurz mit dem Gedanken, auch meine Kamera unter den Arm zu klemmen. Nur für den Fall, dass... Nein, heute mal nicht, dachte ich mir und ließ beides an seinem Platz liegen. Einfach mal NUR durchatmen.
Ich strakste also los und durchstreifte ein wenig Feld und Wiesen. Ich bog in ein kleines Waldstück ab und genoss schon von weitem den Anblick der dichtstehenden Bäume - ich mag Wälder!
Kaum hatte ich den Waldpfad betreten, erschien aus der Gegenrichtung zwischen all dem Gestrüpp ein Mann mit einem schwarzen Hund. Ich blieb stehen, da der Weg sehr schmal war und betrachtete solange die um mich herumstehenden Bäume. Ich zupfte mir ein Blatt ab und roch daran. Wie intensiv. Wann hatte ich das zum letzten Mal so bewusst getan? Wann hatte ich das je getan...?




Der Mann kam näher, ich grüßte, obwohl ich ihn nicht kannte, und ließ den Hund an meinem Bein schnuppern. Sein Herrchen wollte ihn weiterzerren, doch ich streichelte ihm kurz über den Kopf und er freute sich. Während der Hund sich abwandte, dem Mann weiter zu folgen, fragte dieser mich: "Gar keine Angst hier so alleine?" Ich war überrascht, denn ich hatte bis dato keinen Grund anzunehmen, mir könne hier irgendetwas zustoßen. Noch überraschter war ich wohl allerdings über meine Antwort, als ich ihm wie selbstverständlich "Nöö, wieso?" entgegnete. Zugegeben, ich bin manchmal etwas paranoid, was alleinige Spaziergänge angeht, aber das beschränkt sich eigentlich eher auf Heimwege im Dunkeln.
"Na es gibt ja manchmal so verrückte Gestalten...", sagte der Hundebesitzer, was ich nur lächelnd mit einem "Och..." kommentierte und mich wieder pseudo-interessiert den Bäumen zuwandte. Während er mir einen schönen Tag wünschte, fragte ich mich, ob ich ernsthaften Grund zur Sorge hatte. Mein Kopf hatte längst alle möglichen Szenarien durchgespielt, die er "verrückten Gestalten" womöglich zugetraut hätte. Ich blieb solange stehen, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte. Sollte ich jetzt wirklich weitergehen? Möglicherweise hatte er mit "verrückten Gestalten" in allererster Linie sich selbst gemeint, würde den Hund an den nächstbesten Baum binden, mir heimlich folgen, um in einem unbeobachteten Moment...
"So ein Quatsch", dachte ich und setzte meinen Weg mit etwas mulmigem Gefühl fort. Ich konnte es dennoch nicht lassen, mich auf meinem Weg mehrfach umzusehen. Nur sicherheitshalber...

Nach einem kleinen Stück hielt ich inne. Nichts und niemand war um mich herum zu sehen, nur die Vögel zwitscherten hoch oben in den Baumkronen. Ich spürte, wie fest verwurzelt und gut geerdet ich auf dem weichen, morastigen Waldboden stand. Die Blätter raschelten und sangen ihr ganz eigenes Lied und es fühlte sich an, als bliebe die Zeit stehen. Ich wusste, dass mir hier nichts passieren würde.
Entschlossen setzte ich meinen Weg fort. Als sich der Wald lichtete, war ich zwar irgendwie ein wenig erleichtert, stellte aber fest: "Die verrückteste Gestalt hier bin wohl immer noch ich."
Das Blatt hielt ich immer noch in der Hand.




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